Konzept für ein besonderes Stück Stadt

Den ersten Teil des Weges zu einem Neuen Waidmarkt begeht
die Künstlergruppe Observatorium aus Rotterdam noch 2024

Die Aufmerksamkeit war da: mehr als hundert Zuhörer, darunter die Stadtspitze mit Kulturdezernent Stefan Charles und Verkehrsdezernent Egerer, angeführt von  Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die in die Aula der Kaiserin-Augusta-Schule geladen hatte. „Auf dem Weg zum Neuen Waidmarkt“ war die Überschrift des Abends. Das Zukunftskonzept für den Einsturzort des Kölner Stadtarchivs wurde erstmals öffentlich vorgestellt, ein Wegweiser für den Ort der größten Katastrophe Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg – drei Tote, zahlreiche vernichtete Wohnungen, über Jahrzehnte geschädigtes, wenn nicht zerstörtes Archivmaterial, das Gedächtnis Kölns.

„Der Weg war lang, kurvenreich und mühevoll“, sagte Reker, „aber seit wir die Projektwerkstatt installiert haben, gibt es endlich einen realistischen Plan, der zum Ziel führen kann.“ Es brauche einen Ort des Erinnerns, betonte Reker: „Ich will keinen Schlussstrich – erst recht, wenn es keine juristische Aufklärung gibt“. Sie kritisierte die Einstellung der Strafverfahren durch das Landgericht und bezweifelte, dass das  „öffentliche Interesse“ am Verfahren nachgelassen habe, wie das Landgericht seinen Beschluss begründet hat.

Bevor die Projektwerkstatt, die im vergangenen Jahr im Auftrag der Stadtverwaltung den „Weg zu einem Neuen Waidmarkt“ entworfen hat, ihr Konzept vorstellen konnte, ließ Moderator Christoph Hoffmann die KVB über den Baufortschritt berichten. Die hochkomplizierte Sanierung des U-Bahn-Bauwerks wird noch jahrelang dauern, aber immerhin soll Ende des Jahres 2024 am Waidmarkt die Straßenoberfläche wieder so geschlossen sein, dass die Bauzäune verschoben werden können und wieder uneingeschränkter Fuß- und Radverkehr möglich wird. Das Gesamtprojekt wird nicht vor 2031 fertig werden, räumte der Projektleiter Dirk Höllermann ein, und so lange wird auch der große Kran auf dem Grundstück des früheren Archivgebäudes stehen bleiben. 

„Wir haben auf diesen Abend regelrecht hin gefiebert“ sagte Kay von Keitz, einer der fünf Mitglieder der Projektwerkstatt, „wir freuen uns auf die Debatte mit der Bevölkerung“. Zweieinhalb Jahre zuvor sei die Projektwerkstatt mit Experten der beiden Bürgerinitiativen ArchivKomplex und „Köln kann auch anders“ in einem Gespräch im Kölner Rathaus initiiert worden. Durch Beiziehung des Büros „startklar a+b“ habe sich eine hervorragende Arbeitsstruktur entwickeln können. Der Ausgangspunkt der Arbeit sei das Thema „Erinnern“ gewesen, aber dabei solle es nicht bleiben: „Was für ein Stück Stadt wollen wir?“ fragte von Keitz und antwortete selbst: „Einen lebendige Ort, wo alle ein besonderes Stück Stadt erleben können.“

Die Architektin Bernadette Heiermann, ebenfalls in der Projektwerkstatt, blätterte den Stadtraum für das Konzept auf: geschichtsträchtige Elemente wie die alte Römerstraße, Waidmarkt, Sankt Georg sowie die drei großen Schulen. Da biete sich ein Campus, eine öffentliche Bildungslandschaft an. Da könne ein grüner Park entstehen oder eine neue Bebauung – „aber anders“. Die Aufgabe sei nun herauszufinden: Wer sind die Akteure an diesem Ort? Kerstin Asher (startklar a+b) sprach von „neuen Formen der Kooperation und Verantwortung“, die sich am Waidmarkt entwickeln könnten. Dazu werde es schon bald einen öffentlichen Dialog geben. Joachim Boll (startklar a+b) betonte, man müsse die Stadt beglückwünschen, dass sie sich auf diese neue Art des Prozesses eingelassen habe. Es sei sicher ein „Marathonlauf“, da vor 2030 wenig verwirklicht werden könne.

Erste Kunstaktion im Jahr 2024

Aber schon kurzfristig gibt es eine erste Aktion, die erster Teil des Weges zum Neuen Waidmarkt: Noch 2024 wird die Künstlergruppe Observatorium aus Rotterdam am Ort aktiv werden – eine allseits begrüßte erfreulich rasche Entscheidung der städtischen Kulturverwaltung auf Vorschlag der Projektwerkstatt. Andre Dekker von Observatorium war mit seinem Partner Geert van de camp angereist zu der Veranstaltung in der Kaiserin-Augusta-Schule. Dekker bekannte: „Das ist eine schwere Aufgabe“. Er habe schon vor 13 Jahren mal voller Schrecken in das Einsturzloch in Köln geblickt und habe den Ort nun wieder angeschaut und überlegt, was Observatorium machen können. „Unser Name ist Programm“, sagte Dekker, „wir observieren, und wir lassen observieren.“ Er kündigte eine öffentliche Skulptur an, die wirke wie eine Klause, ein Raum zum Innehalten und Nachdenken. Observatorium arbeite mit verschiedenen Medien, auch Schrift und Zeichnung würden genutzt. Dekker bat um Gastfreundschaft von benachbarten Wohnungsinhabern, um Einblicke auf die Einsturzstelle nutzen zu können, um von dort aus zu zeichnen und zu beschreiben.

Frank Deja lobte für „Köln kann auch anders“  die neue Form der Kooperation von Bürgerinitiativen und Stadtverwaltung, die mit der Projektwerkstatt begonnen wurde. Das könne auch ein Erfolgsrezept für andere städtische Problemfelder werden. Günter Otten erinnerte für ArchivKomplex an die viele Aktivitäten der Initiativen vor Ort über 15 Jahre. Daher wisse man, dass es ein öffentliches Interesse gebe – anders als das Landgericht in seinem skandalösen Beschuss angenommen habe.    

Auf Anregung der Kulturverwaltung hatten sich auch Schüler/innen von Kaiserin-Augusta-Schule und Friedrich-Wilhelm-Gymnasium intensiver mit dem Ort beschäftigt, den sie alltäglich erleben. Drei Tage lang hatte der Kunstleistungskurs sich, begleitet von Verwaltungsmitarbeitern/innen im Archiv-Neubau und im Rathaus informiert und Ideen gesammelt. Klar wurde: Das Gedenken hat für diese Schüler/innen eine hohe Priorität. Anregungen gab es auch zu den Stichworten viel Grün, Ort für Kunst, Ruheraum, öffentlich zugänglicher Raum, Deutlich wurde das Bedürfnis nach mehr Partizipation formuliert. „Wir wollen weiter machen“ – da treffen sich die Absichten von Projektwerkstatt und Schülergruppe.

In der abschließenden Diskussion wurde vehement für eine Begrünung des Archivgeländes geworben. Angesichts der Klimakatastrophe sei nichts anderes vorstellbar. Gezweifelt wurde auch, ob das vorgestellte Konzept nun verwirklicht werde, wo doch schon der Plan eines unterirdischen Kulturraums (K3 – die Halle mit dem Knick) gescheitert sei. 

Günter Otten, 31.8.2024

Eine Skizze des Ortes: im blauen Kreis das Gelände des früheren Archives, im roten Kreis der größere Raum Georgsviertel

Bild: Projektwerkstatt

Eine Gruppe von Schülern/innen aus Kaiserin-Augusta-Schule und Friedrich-Wilhelm-Gymnasium stellte ihre Ideen vor

Foto: Günter Otten

 

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